Wir dachten uns, wer einen bekannten Szene-Shop gegründet hat und immer wieder mit neuen Ideen aufwartet, hat sicher viel zu erzählen - und wir haben uns nicht getäuscht!
Wer bist du und was machst du?
Ich bin Pia, seit über 30 Jahren SMlerin, die Inhaberin und Gründerin von McHurt.
Pia, was ist BDSM für dich? Welche Rolle spielt es in deinem Leben?
Ich hatte mal eine Beziehung, die ohne BDSM lief, es war einfach nicht das ihre, aber ich war sehr verliebt und habe mich darauf eingelassen. Nach eineinhalb Jahren bin ich aber aus der Beziehung ausgebrochen, einfach weil mit etwas total gefehlt hat. Heute sage ich ganz klar, ich würde mich auf keine Beziehung mehr einlassen, wenn darin BDSM keinen Platz hat – es ist für mich ein essentiell wichtiger Lebensinhalt, gerade in Verbindung mit meiner Sexualität. Ich bin ein echtes Kuschelmonster, trotzdem geht es ohne Schmerzen, Fesseln, Sich-fallen-lassen und ohne dieses besonders tiefe Vertrauen, das man im SM hat, nicht.
Wie liebst du und wie spielst du?
Ich bin eine Lesbe, in meinem Leben habe ich noch nie etwas mit einem Mann gemacht also sehr, sehr eindeutig lesbisch. Ich habe viele Jahre behauptet, ich würde switchen. Eine Beziehung hatte ich drei Jahre als Top, inzwischen sage ich aber nicht mehr, ich sei Switch, weil ich da falsche Wünsche erwecke. In den zirka letzten zehn Jahren hat sich gezeigt, dass ich den Unten-Part bevorzuge – in meinem Berufsleben bin ich so busy und aktiv, dass ich in dem Umfeld dann nicht auch noch die Chefin sein möchte und mich fallen lassen möchte. Ich bin aber wenig klassisch unterwürfig, eher masochistisch.. Es gibt wohl Personen die mich als Pain-Slut bezeichnen, ich glaube, das trifft es ganz gut.
Wie unterscheiden sich aus deiner Sicht die Szenen unter Frauen oder Männern zu der Hetero-Szene?
Das gibt es mit Sicherheit riesengroße Unterschiede. Neben anderen Umgangsformen gibt es unterschiedliche Selbstverständlichkeiten. Beim Frauen-Bereich schätze ich sehr, dass man sich vorher unterhält: Was sind deine Vorlieben, deine No-Gos, deine Fetische? Wie tickst du? Das geht man nicht gleich in die Vollen, man versucht sich. Ich gehe aus einem ersten Spiel sehr gerne so raus, dass ich mir denke „Ach, schade, schon zu Ende! Da hätte ich noch gerne mehr davon gehabt. “ Das ist eine viel bessere Lösung wie der Gedanke „Boahr, das war jetzt schon fast zu heftig! “ Wenn ich im Hetero-Bereich gucke, gibt es das seltener. Da wird dann eher mal schnell gesagt: „Ach, du bist Sub, ich bin Top, dann mal los!“ Dann geht das Spiel los, es kann klappen, aber wenn was schief geht, heißt es: „Oh, das wäre vorher vielleicht besser zu klären gewesen!“
Du bist ja eine starke Frau: Wie passt da Feminismus und Gleichberechtigung mit BDSM zusammen?
Das passt für mich ohne Widerspruch zusammen: Im BDSM-Bereich geht es nicht um Gewalt oder Unterdrückung an sich – es ist ein absolut konsensuelles Miteinander. Wenn ich das Bedürfnis habe, mich jemandem zu unterwerfen oder mir Schmerzen zufügen zu lassen, dann hat das nicht einem Millimeter damit zu tun, dass ich unterdrückbar bin oder im Alltag unterdrückt werden soll, im herkömmlichen Sinne. Deswegen sprechen BDSMler ja auch davon, dass sie spielen gehen.
Gerade im Heterobereich habe ich da manchmal Bedenken, wenn Männer auftauchen, die mit Frauen aus der Szene so umgehen, dass man sich denken muss „Würde mich ja nicht wundern, wenn dieser Mann bereits eine Gewaltvergangenheit hat.“ Auf so etwas reagiere ich sehr allergisch! Solche Männer denken, sie würden in der SM-Szene die Frauen finden, die es wollen, schlecht behandelt zu werden. Dem ist aber überhaupt nicht so.
Du bist ja schon länger in zwei Szenen präsent. Wie ist dein Eindruck, gibt es zwischen den Entwicklungen der LGBTIQ-Szene und der BDSM-Szene Parallelen in der Wahrnehmung in der Gesellschaft?
Die beiden Szenen sehe ich als zwei getrennte Geschichten: Das eine ist eine sexuelle Anziehung zu einem Geschlecht: Fühle ich mich mehr von Männlein oder Weiblein angezogen? Vielleicht von beidem? Das andere ist eine Variante, wie ich meine Sexualität auslebe: Mag ich lieber die Missionarsstellung oder französisch oder eben BDSM in all seinen Varianten? An sich haben die für mich nicht so viel miteinander zu tun. Andererseits kann man die nicht ganz trennen, weil eben die Schnittmenge zwischen LGBTIQ und BDSM größer ist als im normalen Vanilla-Bereich.. Aber ich sehe das schon als zwei Welten.
Beim Thema Sexuelle Selbstbestimmung haben die beiden Szenen schon vieles gemein..
Genau da sehe ich schon einen Unterschied, wenn ich als Lesbe von einem Mann angegraben werde, kann ich dem immer sagen, dass er leider das falsche Geschlecht hat. Jemandem, zu dem ich keine Sympathie oder dergleichen hege, würde ich privat oder auch in einem beruflichen Umfeld nie sagen, auf was ich stehe. Mich würde es auch nerven, ungefragt mitgeteilt zu bekommen, wie und in welcher Stellung es wer gerne hat.. BDSM ist für mich eine Form der Selbstverwirklichung, die kann man machen, aber es ist auch gut, wenn es Leute einfach nicht wissen wollen. Lesbisch oder schwul zu sein ist manchmal ein wichtigerer Punkt, sich zu outen, weil es viel öffentlicher ist, zusammen als Paar unterwegs zu sein. Gut, wenn es dann keine Irritationen gibt, sondern eher Selbstverständnis: „Ach, das ist Pia, klar, die ist ja lesbisch.“
Wie kam es zu McHurt?
Ich habe vor McHurt in einem ganz anderen Beruf gearbeitet, auf den ich keine Lust mehr hatte und mich bereits über viele Jahre geärgert, dass es ganz viel Schrott zu unverschämt hohen Preisen gab. Da dachte ich mir: Ich versuche es, ob ich das nicht besser kann – das Versuchsresultat ist McHurt. Es ist mir immer wieder eine Freude, schöne Sachen zu entwickeln; glückliche Gesichter zu sehen und Menschen die sagen: Hier bekommt man was Tolles und werde nicht über den Tisch gezogen!
Wie ist die Entstehungsgeschichte eines Eurer Produktes? Wie kommt es von der Idee zum Spielzeug?
Als Beispiel die Kopfmasken, da hieß es immer: Geht nur auf Maß, wenn sie passen sollen.. Das heißt aber freilich, dass es teuer wird. Mein Gedanke war, das muss doch auch mit einer überschaubaren Anzahl an Standard-Größen gehen und habe mir dann von einer Lederschneiderin eine Maske anpassen lassen und habe die dann als Muster genommen um davon wiederum größere und kleinere Modelle anfertigen lassen, nach ganz viel Herumprobiere gab es dann Erfahrungen, was noch zu ändern war. Das Schnittmuster hat sich dann noch viele Male geändert, wir haben z.B. an den Masken mit Riemen über ein Jahr gearbeitet. Als Resultat bekommen wir die allermeisten Köpfe in unsere vier Masken-Größen..
Haben noch andere McHurt Produkte richtige Geschichten?
Ganz viele unserer Produkte haben historische Vorbilder, die wir neu auflegen. Historische Reitpeitschen zum Beispiel; die sind der Vorläufer der modernen Reitgerten. Die bestehen aus Glasfiber, Kunststoffstäbe und-gewebe, die es um 1900 noch nicht gab. Man schnitt und vernähte damals mehrere Lagen Leder so miteinander, dass es die gewünschte flexible Festigkeit ergab.
Die Idee stammte von einer Fotografie aus den Anfängen der Fotografie, wohl um 1850, eine wunderschöne Dame auf einem Pferd, sehr elegant – und mit einer solchen Peitsche in der Hand. Was für ein Bild! Ich habe dann anhand des Bildes zusammen mit der Sattlerei verschiedene Teile gebaut und nach ausgiebigen Tests hatte ich eine Peitsche in der Hand, mit der ich selber gerne spiele: Lässt sich gut führen, schwingt schön.. jetzt kann die in die Produktion! Die erste Serie war klein, aber hat super eingeschlagen, wir mussten bald nachproduzieren.
Dann kam ein Mann in den Laden und meinte erstaunt: „Ach, dass es sowas heute noch gibt! So eine hängt von meiner Großmutter noch im Dachboden, die ist auch geritten.“ Ich hab ihn groß angesehen und bin herausgeplatzt: „Wie…? Du hast so eine?“ Glücklicherweise war er Berliner und er kam dann ein paar Wochen später mit dem antiken Teil in den Laden und ich war baff, wie dicht wir an das Original kamen. Seine war 2cm kürzer und war auch lange im Gebrauch an Pferden, etwas mitgenommen, aber vom Schwingen her, fast wie die modernen. Aus dem Ur-Modell haben sich viele weitere Modelle weiterentwickelt – eine typische Entstehung kommt aus dem Gedanken an ein universelles Toy und vielen Ideen aus Gesprächen.
Was ist dein Tipp für junge Leute, die gerade anfangen zu spielen?
Vor Allem : Sich nie über Netz zum Spielen verabreden und das erste Mal dann in einer Wohnung oder so treffen und loslegen. Das birgt sehr hohe Risiken, niemanden der auf einen aufpassen kann und im Notfall einschreiten könnte. Die in meinen Augen viel bessere Lösung ist, auf Playpartys zu gehen. Man muss da ja nicht hin, um zu spielen, sondern erst mal gucken: Was ist denn interessant für mich? Was kickt mich? Womit kann ich gar nix anfangen? Man erfährt da viel über sich und kann Leute kennen lernen. Wenn man dann das erste Mal spielt und es läuft etwas schief, wird jemand da sein und eingreifen können. Und ich rate, nicht alles nur online zu machen.
Welche Medien, sei es Buch oder Film kannst du empfehlen?
Ich finde eigentlich, die Geschichte der O ist immer noch ein gutes Buch, auch historisch gesehen. Was mich aber noch mehr fasziniert hat, war ein Buch von Jean de Berg: „Das Bild“.
Was soll es auf der Welt mehr geben?
Erst denken, dann reden. Einen etwas sorgsameren Umgang mit anderen, um nicht zu schnell irgendwelche Urteile zu fällen, erst mal reflektieren, warum sagt der das so, warum denkt die Person das? Manches sieht auf den ersten Blick so aus als könne man es sofort verurteilen, aber wenn man etwas nachfragt, stellt es sich ganz anders dar.
Wofür hättest du gerne mehr Zeit?
In der Sonne am See liegen und baden gehen.
Was würdest du unseren Blog-Lesern noch gerne mit auf den Weg geben?
Hängt Euch nicht zu sehr an Internetforen und Online-Kontakte, pflegt das Persönliche von Mensch zu Mensch.
Pia, vielen Dank für das Interview.
(Das Interview führte MissChief [javascript protected email address])